Funkentstörung

Vor 50 bis 60 Jahren wurde die Funkentstörung vor ganz neue Aufgaben gestellt, weil die bekannten Entstörmöglichkeiten für den KML-Rundfunkbereich bei den nun hinzukommenden höheren Frequenzen für den UKW-Rundfunk und das Fernsehen bis in den UHF-Bereich nicht mehr wirksam waren. Es war also Pionierarbeit angesagt, eine sogenannte "Breitband-Entstörung" zu erzielen. Als Fachgebietsleiter Funkwesen der Bezirksdirektion für Post- und Fernmeldewesen Magdeburg unterstand mir auch der Funkentstörungsdienst in der nördlichen Hälfte des heutigen Sachsen-Anhalt.

Es bestanden zwar seit der "Verordnung über Hochfrequenzanlagen" vom 28.2.1952 konkrete Funkstörungsgrenzwerte für elektrische Geräte und Anlagen entsprechend der auch in der DDR angewandten westdeutschen VDE-Vorschrift 0875/7.52 "Regeln für die Funkentstörung von Geräten, Maschinen und Anlagen" (die Ingenieurorganisation der DDR "Kammer der Technik" arbeitete mit dem westdeutschen VDE zusammen) :

Der Funkentstörungsdienst hatte aber zunächst keine Meß- oder Prüfgeräte zur Messung der Störspannungen oder -Feldstärken an störenden Geräten. Nur das RFZ (Rundfunk- und Fernsehtechnische Zentralamt Berlin) verfügte über das "Störspannungsmeßgerät SSG 1" 100 kHz -20 MHz (Hersteller: C.Lorenz A.G. i.V. Leipzig).

Für den praktischen, tragbaren Einsatz im LMK-Frequenzbereich entwickelte ich daher 1955 in meiner Freizeit (in meinem "Labor" in der Abstellkammer unserer Wohnung, bis in die Nächte) das "Störspannungsprüfgerät SPG1" 100 kHz - 30 MHz (als Hersteller fand ich das Labor A.Helbig, Magdeburg) . Ich konnte zwar meine Erfahrungen aus der Radiobastelei (siehe diese Unterseite) nutzen, das Gerät mußte aber die VDE 0876 "Vorschriften für Störspannungsmeßgeräte" und die VDE 0877 "Leitsätze für die Messung von Funkstörspannungen" erfüllen.

 

Zur Anzeige der Störspannung nach der vorgeschriebenen Impulsbewertung nutzte ich ein "Magisches Auge" EM 11, dessen beide Anzeigebereiche (Berührung der Kanten der Leuchtsektoren) sich wie 1:5 verhalten, genau so wie die beiden Funkstörungsgrenzwerte "Normal" und "Grob" (siehe oben). Der Vergleich mit dem SSM 201 des RFZ bestätigte die Übereinstimmung der Anzeigegrenzwerte und die praktische Verwendbarkeit, so dass das Gerät bei der Fa.Helbig produziert und im Funkentstörungs-dienst eingesetzt wurde.

Für den höheren UKW- und Fernsehfrequenzbereich hatte das RFZ das "Störfeldstärkemeßgerat FMG2"  30 - 230 MHz (Hersteller: VEB Funkwerk Dresden).

 

 

Für den praktischen Einsatz im Funkentstörungsdienst wurde zunächst das "UKW-Störsuchgerät StG 4"  30-230 MHz (Hersteller VEB Funkwerk Dresden) beschafft:


 

Das Gerät hatte jedoch einen schwerwiegenden Nachteil: Es hatte keine Impulsbewertung, so dass Knack- und Prasselstörungen, wie sie z.B. bei Kommutatormotoren an den Kohlebürsten auftreten, nicht vorschriftsmäßig gemessen werden konnten.

So mußte z.B. für die von mir durchgeführte Funkentstörung der PIKO-Modelleisenbahnen (siehe weiter unten) vom Rundfunk- und Fersehtechnischen Zentralamt (RFZ) ein Import-Feldstärkemeßgerät "VHF-Feldstärkezeiger HUZ"  48-225 MHz (Hersteller: Fa. Rohde & Schwarz, München ) ausgeliehen werden.

 

 Das war für mich die Veranlassung, wieder in meiner Freizeit ein neues Störfeldstärkemeßgerät mit Impulsbewertung bei Berücksichtigung besserer Tauglichkeit für die Praxis im Funkentstörungsdienst zu entwickeln, das "UKW-Störmeßgerät USM 1" :

 Auf der Suche nach einem Hersteller fand ich die PGH TONFUNK Ermsleben (siehe Extra-Seiten).

In der Produktionsvorbereitung änderte ich noch die Konstruktion zugunsten einer präziseren Frequenzanzeige unter neuem Namen  UKW-Betriebsstörmeßgerät USM 2  (25 - 230 MHz).

Die Überprüfung der Technischen Daten, der Meßgenauigkeit und der Einsatztauglichkeit erfolgte durch das Rundfunktechnische Zentralamt (RFZ):

 

 

Alle technischen Daten wurden bestätigt und der Produktionsauftrag von 100 Stück für den Funkentstörungsdienst ausgelöst.

Im Laufe der Zusammenarbeit bei der Nullserie bot mir der Vorsitzende der PGH, Herr Walter, an, für ein wesentlich höheres Gehalt und Gewinnbeteiligung als Technischer Leiter in die Genossenschaft einzutreten, was ich im Oktober 1960 annahm. 

Vorher  bekam ich noch diese Auszeichnung vom Minister für Post- und Fernmeldewesen:

 

Hier die Beschreibung des in die Produktion übergeleiteten USM 2 :

 

 

 

 

                                                                                                                           

    

                                                                                                                             

                                                                                                                                                                  

 Das Gerät berücksichtigte alle in den praktischen Erfahrungen gewonnenen Erfordernisse. So wurde eine Leder- Umhängetasche mitgeliefert, die alles Zubehör enthielt, z.B. die Verlängerungsspulen für die Resonanz-Abstimmung des Dipols bei den unteren Frequenzen 25-65 MHz, Bandmaß zur Dipolabstimmung, Kopfhörer, Klemmrahmen, Rechenschieber zur Multiplikation mit den Korrekturfaktoren, Stifte für die Zeichnung von Meßblättern, die Tastsonde, Umhängegurt usw. , sowie eine Holz-Transportkiste zur gepolsterten Aufnahme des Gerätes und des Zubehörs.

Die Auslieferung an den Funkentstörungsdienst erfolgte 1961/62.

Das Gerät hat sich in der Praxis hervorragend bewährt.

 

 Suchen der Störquelle mit der Tastantenne.

 Die Kollegen vom Funkentstörungsdienst hielten mit Hilfe der Polizei bei der Straßenkontrolle störende Fahrzeuge an und führten gegen Selbstkostenerstattung gleich die Funkentstörung mit Einbau der Zündkerzen-Entstörstecker aus.

 Weitere Entstörbeispiele :

  Funkentstörung der PIKO-Modelleisenbahnen

(ein gekürzter Artikel erschien in der Zeitschrift "Funkgeschichte" Nr.199 der Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens e.V. im Oktober 2011)

 Mit der Einführung des UKW-Rundfunks und des Fernsehens traten immer mehr die Modelleisenbahnen als Störer auf. Die von dem Hersteller PIKO Sonneberg den Betreibern empfohlene Funkentstörmaßnahme - Beschaltung des Schienenkreises mit einem Kondensator - wirkte nicht mehr bei den höheren Frequenzen. Teilweise fiel die Synchronisation aus.

                                        

Ich erklärte mich auf Anfrage der Hauptverwaltung Rundfunk- und Fernsehbetrieb des Ministeriums für Post-und Fernmeldewesen bereit, zusammen mit meinem Kollegen Thomä von der BPF Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) im Wesentlichen außerhalb der Arbeitszeit einen Breitband-Entstörungsvorschlag für die Fa. PIKO Sonneberg zu erarbeiten.

Wir bekamen dazu von der Firma PIKO das Material für eine etwa 1 x 1,50 m große H0-Anlage mit 2 Schienenkreisen, Weichen, mehreren Lokomotiven und Wagen, Stomversorgung u.s.w. zur Verfügung gestellt, die ich zuhause in der Diele unserer Wohnung (!) aufbaute.

Für die Messungen lieh uns das Rundfunk- und Fernsehtechnische Zentralamt (RFZ) einen VHF-Feldstärkezeiger HUZ der Fa.Rohde & Schwarz aus, der die benötigte Impulsbewertung hatte..
Es stellte sich heraus, dass bei den höheren Frequenzen nur eine Drossel-Kondensator-Kombination in den Loks in Frage kam.

 

 

 Wir experimentierten mit Epsilan-Scheibenkondensatoren über die Kohlebürstenanschlüsse und vorgeschalteten, auf Dämpfungswiderstäde handgewickelte Drosseln sowie Ferritkerndrosseln des VEB Kondensatorenwerke Gera:

 

 An den Loks, hier der E-Lok,  bestanden folgende Voraussetzungen:

Wir überprüften folgendeVarianten:

Diese Variante stellte sich als optimal hersus.

Für die Tenderlokomotive wurden folgende Anordnungen erprobt :

Diese Variante erzielte die besten Ergebnisse.

Schließlich mußten die zusätzlichen Bauelemente auch in das Gehäuse passen :

 

 An den Schienen waren vor und nach der Entstörung oszillographisch folgende Störspannungen zu beobachten:

        Unentstört

          Entstört 

 
 
Die Störfeldstärkemessungen 80 cm über der Anlage zeigten die unterschiedlichen Wirkungen:
                                  a = unentstört,
                                  d = mit handgewickelten bedämpften Drosseln
                                  e = mit Ferritkerndrosseln
 
 
                                                                                                                                                                                                                  
  
 Damit wurde bis zu den hohen Frequenzen eine sehr gute Entstörwirkung erzielt.
 
Die Ergebnisse wurden der Betriebsleitung der Fa.PIKO im März 1958 vorgestellt :
 
 
 
 Wegen des großen internationalen Interesses an der Entstörmethode wurde diese zum Gebrauchsmuster angemeldet:
 

 

 

Der Funkentstörungsdienst der Deutschen Post warb auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1958 mit einem eigenen Messestand für die Funkentstörung von Geräten und Anlagen, die den Rundfunk- und Fernsehempfang störten.

 Hier eine Kopie meiner Veröffentlichung in der Zeitschrift "Funkgeschichte" Nr.199 der Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens e.V. im Oktober 2011: 

 

 

 Nach der Messe wurde die Modellbahnentstörungs-Vorführanlage als Exponat in das Postmuseum Berlin (heute Museum für Kommunikation Berlin) übernommen.

 

 Wir veröffentlichten folgenden Artikel in Radio und Fersehen Heft 21/1958 :

 

 

   
 
 
                             
 
 

 Funkentstörung einer Siemens-Lurgi-Entstaubungsanlage

 

Veröffentlichung in der Zeitschrift "Funkgeschichte" Nr.201 der Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens e.V. im Februar 2012:

 
 

Es kamen immer neue Anwendungen der Hochfrequenztechnik und Medizin hinzu, die Funkstörungen erzeugten, wie die folgenden Beispiele zeigen:

400 kW-Wärmegenerator:

Dieser 400 kW-Wärmegenerator wurde im Schwermaschinenbau Magdeburg zur Induktionshärtung von Drehmaschinenbetten eingesetzt:

 

Von ihm gingen solche Störungen aus:

Eine Betriebsgenehmigung konnte von mir erst nach umfangreicher Entstörung erteilt werden.

KW- und UKW-Therapiegeräte:

Die KW-Therapiegeräte des VEB Elmed Hohen Neuendorf b. Berlin arbeiteten mit Halbwellen- Gleichrichtung des HF-Generators im 50 Hz-Takt :

 

Dadurch wurden starke 50 Hz- Brummstörungen erzeugt:

Das führte zu neuen gesetzlichen Regelungen (Betriebsfrequenz 27,12 MHz). Die Geräte wurden nur bis zu einem Umbau befristet genehmigt:

Eine unbefristete Genehmigung wurde erst nach erfolgtem Umbau erteilt:

Störungen der Wetterwarte auf dem Brocken:

Eines Tages erhielt ich eine Mitteilung von der Wetterwarte auf dem Brocken über bisher vom Funkentstörungsdienst ungeklärte Störungen der NF-Anlage.  Ich packte daher meine Utensilien einschließlich meiner "Wunderwaffe", meinem Oszillografen, und fuhr mit meinem Wartburg-Kombi-Dienstwagen nach Schierke (erste 5 km-Passierschein-Kontrolle). Es war Winter und ich hatte keine Winterreifen drauf. Auf der vereisten Brockenstraße war es dann schon schwieriger voranzukommen, bis mich die Polizeikontrolle trotz meines grauen Dienstwagens mit Post-Emblem zur 500m-Passierscheinkontrolle stoppte ! Danach war bei dem Glatteis kein Anfahren mehr möglich, auch nicht, als sich die beiden Volkspolizisten auf die vorderen Kotflügel setzten (was bei Frontantrieb helfen sollte) ! Also stieg ich die letzten 500 m mit schwerer Aktentasche und Oszillograf zum Brocken zu Fuß hinauf !

Die Störung erwies sich als Überlagerung der NF und der Netzspannung durch das vom FS-Sender abgestrahlte TV-Signal :

 

220 V-Netzspannung mit überlagerter HF-Videomodulation (Testbild mit Vertikalimpuls)

   

 

 

Verbrummte Videomodulation auf der NF(Phono)-Anlage (Zeilenfrequenz des Testbildes).

Die Störung konnte durch Kondensatorbeschaltung beseitigt werden.

Danach trat ich mit meinem Gepäck den Rückmarsch zum Auto auf der Brockenstraße an. Der Aufstieg im Schweisse meines Angesichts und geöffnetem Mantel bescherte mir eine Rippenfellentzündung  !

 

 

 

                       

 

 

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